Alternative Spiritualität heute

von: Ruth-E. Mohrmann (Hrsg.)

Waxmann Verlag GmbH, 2010

ISBN: 9783830973843 , 161 Seiten

Format: PDF, OL

Kopierschutz: frei

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Preis: 22,40 EUR

Mehr zum Inhalt

Alternative Spiritualität heute


 

Religion und neue virtuelle Welten (S. 69-70)

Ein Beitrag zu inter- und transdisziplinären Fragestellungen um „Online-Religion“ und „Cyber-Spiritualität“

Schätzungen zeigen einen Anstieg der Internetnutzung im Jahr 1995 weltweit von 16 Millionen1 auf über eine Milliarde im Herbst 2008. Im Jahr 2010 sind voraussichtlich 1,5 Milliarden Menschen online.2 In den geografi schen und gesellschaftlichen Räumen, die infrastrukturell für den Internetzugang erschlossen sind, gibt es wohl kaum noch eine religiöse Institution, Bewegung oder Gruppe, die nicht die Online-Ressource als „Anbieter“ oder „Konsument“ nutzt.

Die Strukturen und Formen der User Interfaces erlauben es, über Suchmaschinen, Verzeichnisse und Portale die Informationswege zu Religiösem zu bündeln und ermöglichen so, Informationen über bestimmte Religionen, Glaubensformen zu sammeln, religiöse Texte zu suchen und herunterzuladen, virtuell religiöse Zentren, Kultstätten und Kultplätze via Bilder oder in 3D-Darstellung zu betrachten, via Webcam live vor Ort zu treten: die Klagemauer in Jerusalem via Webcam besuchen und Wunschzettel anhängen lassen, an der heiligen Messe teilnehmen, wie am Hindu puja, etc.3 Man kann religiöse Kunst, Kultgegenstände und Devotionalien kaufen, über Religion und Glaubensüberzeugungen in Mails, Chats und Foren reden und diskutieren, Blogs und persönliche Websites erstellen, religiöse Dienstleistungen wie Online-Seelsorge in Anspruch nehmen, in Chats meditieren, Rituale praktizieren: Beten und Singen, schließlich über Avatars in virtuellen Welten, in Cyber-Churches/Internet-Kirchen selbst agieren. Das neue Medium in seiner Heterogenität ist zum Medium für Evangelisation und Missionierung der organisierten, institutionalisierten Religionen geworden.

Es ist ein Forum und eine Quelle für selbst ernannte „religiöse Virtuosen“, für Kulte wie Sekten, Bewegungen des kultischen Milieus: Neopagane, Okkultisten, Satanisten etc. mit einem unüberschaubaren Publikum, Beobachtern wie Akteuren. Nach Umfragen des Pew Internet & American Life Project, das Daten zu Haltungen und Trends in Amerika erhebt, insbesondere zum Verhalten des Internetgebrauchs, waren im Dezember 2003/2004 nahezu zwei Drittel (64 Prozent) der Internetnutzer aufgrund eines glaubensbedingten Interesses online (das entspricht nahezu 82 Millionen Amerikanern).

Prozent nutzten es als Nachrichtenquelle zu Berichten und Ereignissen, 21 Prozent suchten nach Informationen zur Ausgestaltung religiöser Feiertage, 17 Prozent informierten sich über den Erhalt von religiösen Dienstleistungen, 7 Prozent äußerten oder antworteten online auf einen Gebets wunsch.5 Die Studie belegt, dass die Mehrzahl der Nutzer aus persönlichen spirituellen Gründen handelte und sich dabei weniger auf traditionelle religiöse Tätigkeiten und Aufgaben bezog. Dennoch kommt sie zu dem Fazit, dass diese Internetaktivitäten die Beziehungen zu den traditionellen Institutionen, den Kirchen, eher stärken: „This is interesting because many analysts have assumed that the Internet would make it more likely for people to leave churches in favor of more fl exible online options for religious or spiritual activity. Faith-related activity online is a supplement to, rather than a substitute for offl ine religious life.“